Absence of light

Der Wind kreischt und rüttelt an der Boing der Scandinavian Airline. Ich sitze in der Mitte der dreier Reihe, die wie immer viel zu eng ist. An meinem linken Arm rüttelt eine Amerikanerin und deutet auf eine Wolke neben dem Flugzeug – Northern lights ! Ich schaue aus dem Fenster und sehe ….nichts. O.k. eine weiße Wolke die eine spezielle Form hat. „Ah- yes- thanks“. Sie zeigt mir das Display ihres Fotoapparates und siehe da, alles was mit dem normalen Auge weiß ist, sieht dort grün aus.

„Is this why you came here“? Frage ich sie. „Yes of course – the northernlights are marvelous“. Ja, ich weiß nicht, wenn man die sowieso nicht mit blossem Auge sieht, ist es ja irgendwie auch nicht so der Bringer. Dann kann ich mir ja überall welche reinbauen – mit Photoshop oder so. „Why are you here“, fragt mich die aufgeregte Dame. „Orcas“.

Unsere Unterhaltung wird unterbrochen, weil wir jetzt durch die Wolken fliegen und alles ein bisschen „choppy“ wird, wie der Pilot sich ausdrückte. Ich hatte bis vor einigen Jahren massive Flugangst und bin nur mit Medikamenten geflogen. Nach unzähligen Flügen hat sich das aber gelegt, doch auch heute noch ziehe ich andere Reisearten die entweder am Boden oder im Wasser sind vor.

Unser Flugzeug rattert durch die Wolken und der Wind rüttelt unsanft am Flugzeug. „Choppy“ denke ich ist leicht untertrieben. Ich bin mir sicher, dass er den Landevorgang abbricht, weil ich mir nur schwer vorstellen kann, dass er im Sturm, bei Nacht auf einer Schneebedeckten Landebahn runterkommen kann. „Nur nicht das Fahrwerk ausfahren“, denke ich in der Sekunde in der es unter meinen Füssen klackt und genau dies geschieht. Ich war mir sicher, dass uns der Wind ins trudeln bringen muss. Doch es macht sich keine angst breit, eher eine Verwunderung, wieso so etwas funktioniert. Jetzt kippt das Flugzeug um im Landeanflug die Richtung zu ändern. Warum wirft der Sturm das Ding nicht im….. Ich habe keine Ahnung aber Riesenrespekt vor den Piloten. Man macht sich vielleicht einfach ein bisschen zu viele Gedanken.

Am nächsten Tag geht es auf die Sula, ein Schiff welches in seinem früheren Leben benutzt wurde um Leuchttürme zu reparieren und zu kontrollieren. Die Crew ist sehr nett und führt uns durch das spartanische Schiff. Eine Entdecker und Abenteurer Stimmung macht sich bei uns breit. Wir das sind eine Gruppe von Tauchern, Schnorchlern, Freedivern, die unter meiner Reiseleitung von Wirodive nach Nordnorwegen geflogen wurden. Das Schiff hat Stil, allerdings ist alles sehr eng. Ich mache mir ein wenig Gedanken, ob es funktioniert auf so engem Raum aufeinander zu sitzen. Denn es ist nicht sehr hell in Norwegen, der Teufel weiß warum ich meine Sonnenbrille eingesteckt hatte. Gegen 11 dämmert es und man freut sich, dass es jetzt endlich hell wird. Doch das Dämmerlicht ist schon alles und gegen 14 Uhr wird es wieder dunkel. Die Sonne sieht man nicht, denn die ist unterhalb des Horizonts.

Namasté – ich grüße das Licht in Dir

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„Heyhey – today we see some Orcas“, ein Redeschwall überfällt die leicht schläfrige Gruppe. Eirine ist gemeinsam mit Sebastian unser Guide und soll uns zu den Orcas führen. Sie trägt ein Kapuzzenpulli auf dem in norwegisch „Trolljäger“ steht. Mit ihrem strahlenden lächeln, bei dem sie die Augen eng zusammenkneift und ihren Rastas muss sie selbst aufpassen, nicht Opfer eines Trolljägers zu werden. Der Spruch auf dem Yogitee sagt :“ Live light, travel light, spread the light, be the light“.

Wir werden die ersten beiden Tag die Sula nicht verlassen. Es ist immer noch stürmisch und obwohl der Golfstrom dafür sorgt, dass es nie so warm wird, dass die Fjorde einfrieren, kühlt einen der Wind sehr schnell aus. Ich persönlich bin froh, dass ich heute noch das Treiben von der Oberfläche sehen darf. Und was wir sehen ist beeindruckend : Springende Buckelwale, Schulen vor Orcas und die atemberaubende Kulisse der Schneebedeckten Hügel und Berge.

Bald gibt es Essen und Selin serviert uns eine Suppe, die wir dankbar und eng beieinander sitzend essen. Der kleine Wohnbereich hat Vorteile, es ist warm beieinander zu sitzen und das Erlebte zu teilen macht spass. Die Orcas rücken bei Gefahr enger zusammen und der Familienverbund hält ein Leben lang. Vielleicht zwingt einen diese Kälte dazu enger zusammen zu rücken, wer weiß.

Erst am dritten Tag geht es mit Hilfe des kleinen Bootes „Horace“ ins Wasser und Eiren wirft und meistens so perfekt raus, dass wir den Orcas nahe sind ohne sie zu stören. Eine Interaktion mit einem Orca ist nicht einfach. Sie haben grundsätzlich kein Interesse an uns. Das heißt es werden verschiedene Stufen beschrieben – L1 – der Orca schwimmt an einem vorbei ohne Interesse….und so weiter L4 ist das maximale – der Orca schert aus seiner Gruppe aus und schaut dich an. Bereits am zweiten Tag im Wasser konnte ich diese Erfahrung machen. Angst oder Unwohlsein kommt dabei nicht auf.

Jede Begegnung mit den Buckelwalen oder den Orcas ist beeindruckend. Das Wasser ist schwarz und so gut wie kein Licht ist vorhanden. Von den Buckelwalen erkenne ich nur die Seitenflossen, ein leicht weisses Schimmern. Ein anderes Mal tauche ich auf dieses Schimmern zu und erkenne deutlich weiße Flecken und kurze Zeit später die Orcas. Meine Level 4 Begegnung bekomme ich weil ich zu den Tieren abtauchen kann. Birgit, eine befreundete Freediverin aus der Schweiz ist ebenfalls mit einem Apnoeanzug im Wasser. Wir sind schneller und können abtauchen, was der Rest der Gruppe in den Trockentauchanzügen nicht kann. Zugegeben, die ersten paar Abtauchgänge kosten mich einige Überwindung. Hinunter in die Kälte und absolute Dunkelheit, doch mit jedem Abtauchen geht es leichter. In zehn Meter Tiefe, sehe ich die weißen Flecken näher kommen und aus der Gruppe schert ein Orca aus und taucht langsam auf mich zu. Er schaut mich an und verschwindet, bis wieder nur noch die langsam, verblasenden weißen Teile seines Körpers zu sehen sind.

Northern Light

Wikipedia sagt, dass es sich um elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwindes handelt, die auf Sauerstoff und Stickstoffatome treffen und diese Ionisieren. Vielleicht sind es aber doch Vorboten von unruhigen Zeiten, Kriegen, wie es die Wikinger sich vorstellten. Tatsächlich sorgen die Schlagzeilen über Kriege, Terror, Trump gemeinsam mit der uns umgebenden Dunkelheit, für eine Art Untergangsstimmung, zumindest bei mir.

Unser nächtlicher Ausflug mit der Horace und Eiren führt uns um 20 Uhr weit ins Fjord hinaus und weg von der uns wärmenden Sula. Ein Hydrophon ist an Bord und soll die Stimmen der Orcas und die Gesänge der Buckelwale für uns auf dem Boot hörbar machen. Es ist nicht einfach, denn es sind Fischer unterwegs und das Trommeln und Stampfen der Motoren übertönt alles bei weitem. Was für ein Lärm. Doch immer wieder hören wir das Piepsen der Orcas und darunter mischt sich der unter die Haut gehende Sound der Buckelwalgesänge.

„Nik schau mal ein Nordlicht !“ Ich versuche immer noch die Gesänge wahr zu nehmen und möchte auch nicht all zu viel Energie für so eine Wolke verschwenden. Der erste Blick nach oben zeigt eine weisse, langgezogene Wolke. Auf Chrstoph´s Iphone kann man erkennen, dass sie grün ist.

Ist es die Kälte oder der unbedingte Wunsch mitreden zu können, ich weiß es nicht. Doch kurze Zeit später sind die Nordlichter mit bloßem Auge zu erkennen und sie tanzen und sie wirbeln am Firmament, sie werden dunkler, sie werden heller, sie bekommen eine violette Note, bevor sie weiss werden, verschwinden und woanders erneut zum Vorschein kommen.

Einige Tage später sitzen wir gemeinsam in einem Restaurant um unseren letzten Abend zu feiern. Einige von uns hängen noch einen Tag ran und machen eine Hundeschlitten – oder Snowmobiltour. Die Sula und ihre Crew haben wir verlassen und viele Eindrücke und Erinnerungen an eine wundervolle und intensive Woche nehmen wir mit.

Im Kopf bleibt mir noch ein Gespräch mit Eiren.

„Wie hältst Du denn diese Abwesehnheit von Licht aus ? Bekommst Du da keine Depressionen ?“

„Am Anfang steigen wir noch auf die Berge um ein paar Tage mehr die Sonne zu sehen, dann machen wir einfach weiter und machen uns keine Gedanken“.

Und nach einer Pause sagt sie „…..und weißt Du was, es ist Januar und es wird schon wieder heller“.