Nik Linder bei der Guinness World Record Show in Italien

Als ich den Anruf eines Agenten bekommen habe, dass ich in der Guinness World Record Show in Italien für einen Rekord die Luft anhalten sollte, war das zunächst nichts aussergewöhnliches.

Sehr häufig erreichen mich Anfragen des Fernsehens in denen man auf irgendeine Weise die Luft anhalten soll. Da ich abgesehen von meinen klassischen Rekorden und Wettbewerben auch Spass Rekorde gemacht habe, wie z.b. der längste Unterwasserkuss mit meiner Frau, wurde ich immer wieder gefragt, ob ich z.b. im Luftanhalten gegen einen Pinguin, einen Seelöwen oder ähnliches antreten wolle. Meistens kommen diese „tolle Ideen“ aber nicht zustande, worum ich meistens sehr froh gewesen bin.

Dieses Mal aber konkretisierte sich die Sache, ein Datum wurde fixiert und ich erfuhr, dass ich einen bis dahin inoffiziellen Rekord brechen sollte, der darin besteht dass man mit den Füßen von der Decke hängend mit dem Kopf in ein Aquarium gehängt wird. Sehr schnell ( zu schnell ) gab ich mein Einverständnis. Ich sollte wenn möglich vier Minuten kopfüber im Wasser hängen, sollte kein Problem sein, für jemand der fast sechseinhalb Minuten die Luft anhalten kann.

Da hatte ich mich ziemlich getäuscht, als ich wenige Wochen vor der Show ein Video schicken musste, hatte ich damit ziemliche Probleme. Das Video sollte zeigen, dass ich theoretisch in der Lage bin das zu machen. Und das war leider zunächst nicht der Fall. Das Blut schießt in den Kopf, der Druck wird fast unerträglich, die Hitze im Gehirn ebenfalls und das Seil schneidet sich durch die Beine. Mit Mühe und Not und ohne den Druck das ganze in einer großen Show zu machen schaffte ich bei der Probe drei Minuten.

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Das Problem mit dem Seil konnten wir mithilfe spezieller Inversion Boots lösen, doch wie konnte man dem Druck und der Hitze im Kopf Herr werden. Hierzu gab es mehrere Ansätze. Ich hörte davon, dass Buddhistische Mönche in der Position „Beine oben mit dem Kopf nach unten hängend“ als Askese Übung meditieren. Als Askese bezeichnet man das bewusste Verzichten auf scheinbar notwendige Genüsse und Maßnahmen um die Disziplin zu testen. Das sind häufig Übungen, die das Ertragen von Schmerzen beinhalten. Allerdings hält dabei niemand die Luft an. Einige Ärzte und befreundete Yogalehrer haben mir im Nachhinein erzählt, dass Luft anhalten in einer Kopf nach unten Position niemals gemacht werden sollte und gefährlich sei. Gut, dass ich davon nichts wusste.

Nach dieser Recherche begann ich mit speziellen Pranayama Atemübungen die es mir erlaubten die Stimmlippen unterhalb der Epiglotis noch besser zu verschließen, so dass der Druck im Kopf nicht so groß wird. Ich meditierte, in dem ich die Beine senkrecht an der Wand nach oben streckte, in dem ich den Schulterstand aus dem Yoga, mit angehaltenem Atem machte. Die nächste Generalprobe verlief dadurch erheblich besser.

Gemeinsam mit meinem wichtigsten Sicherungstaucher und Freund Axel fuhren wir nach Mailand. Vor Ort war ein echter Kuriositätenzirkus, aus Strong Men ( Männer die LKW´s ziehen, Kühlschränke und Steine über eine Distanz schleppen müssen ), dem Weltrekordhalter im Maßkrug stemmen, einem Chinesen der auf dem Kopf eine Treppe hinauf sprang, einer Ukrainerin die mit den Oberschenkeln Wassermelonen zerquetscht und viele mehr.

Das größte Problem an dem Rekord war es die nötige Entspannung zu finden. Drei Tage ist man auf Abruf und erfährt sehr spontan, wann man dran ist. Die Entspannungsmöglichkeiten in einem Fernsehstudio mit einem Übersetzer im Ohr und einem italienischen Moderator vor sich sind überschaubar. Für mich war das Zeitfenster 10 Minuten im Backstage Bereich „runteratmen“, also den Puls runterbringen, auch noch unterbrochen von einer Pippi Pause recht kurz. Alles muss immer sehr schnell gehen, das Verweisen auf den niedrigen Puls bringt da auch nichts. Als ich noch im Dunkeln wartete und sich die Wand öffnete schienen meine Pupillen größer werden zu wollen, als meine Augen waren. Es war grell, laut und blinkend.

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Unter den Augen der vielen Zuschauer und Juroren von Guinness legte ich mich auf den Rücken und konzentrierte mich auf meine Bauchatmung. Vier Sekunden einatmen, 16 Sekunden den Atem anhalten und acht Sekunden ausatmen. Meinen Mares Anzug durfte ich dafür nicht verwenden, und mein Mares Neoprenshirt wurde mit einem Guinness Sticker übernäht. Schade ich hätte gerne etwas Werbung in Italien gemacht. Nach einigen Minuten ruhiger Entspannungsatmung gab ich mein Zeichen um mich nach oben zu ziehen. In der Luft, meine Augen waren geschlossen, doch ich befand mich in einigen Metern Höhe im riesigen Studio, packte ich mit einer speziellen Technik in meine Lunge zusätzlich Luft rein. Das Lungpacking bezeichnet ein Überblähen der Lunge über 100 % der Totalen Lungenkapazität hinaus. Dieses Lung-Packing wird nur von geübten Apnoesportlern praktiziert, weil die Verletzungsgefahr bei einem untrainierten Athleten zu groß ist.

Kurze Zeit später war ich mit dem Oberkörper im Wasser und konzentrierte mich darauf an nichts zu denken. Die Kernkompetenz eines Freitauchers bezeichnet die Fähigkeit sich auf den Punkt entspannen zu können. Für mich war das wieder eine interessante Übung um zu testen, wie resistent ich gegenüber Stress bin. Ich konnte augenblicklich entspannen und konzentrierte mich darauf die Stimmlippen geschlossen zu halten, gelegentlich den Finger zu heben um das o.k. zu zeigen und keinen Muskel anzuspannen. Nach Zwei Minuten wachte ich bereits durch den Atemreiz, der sich durch eine Kontraktion des Zwerchfells andeutete, auf. Für mich sehr entspannt konnte ich die vier Minuten Grenze überwinden. Mühelos waren heute die 4:29 möglich. Ein Erfolg den ich nach meinem ersten Versuch nicht mehr für möglich gehalten hatte. Hier wäre sicherlich an diesem Tag noch mehr drin gewesen. War eine geile Show – ich komme gerne wieder und packe noch was drauf.

Euer Nik